Viele Menschen verbinden das Wort Bibliothek bzw. Buchhandlung mit alten Gebäuden und eventuell auch mit leicht angestaubten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern inmitten von Bergen bestehend aus alten Büchern – ein leicht modriger Geruch rundet das Ganze noch ab. Dem ist jedoch schon lange nicht mehr so. Die Bibliothekslandschaft erlebt in den letzten Jahren eine regelrechte Renaissance. Aus Bibliotheken werden Medien- bzw. Lernzentren, in denen die Ausstattung weit über das Bücherregal hinaus geht und nicht einmal vor Kinosälen für Benützerinnen und Benützer haltmacht. Aus Buchhandlungen werden Geschäfte, die zum Entdecken, erleben und ja auch in gewisser Hinsicht zum Spielen einladen. Um die Entwicklungen in diesem Bereich zu zeigen, dachte ich mir, es wäre Zeit für eine neue Reihe auf unserem Blog: Blueprints.
Als Blueprints (dt. „Blaupausen“) werden im Regelfall Entwürfe bzw. Pläne betitelt, unter anderem auch im Bereich der Architektur, weshalb ich mich für diesen klangvollen Namen entschied.
#1 Bibliothèque Alexis de Tocqueville (Frankreich)
Auf einer kleinen Insel in der Stadt Caen in der französischen Normandie erhebt sich auf einer Fläche von ungefähr 12.500 m² das x-förmige Gebäude der Bibliothèque Alexis de Tocqueville. Die großen gewölbten Glasscheiben der Fassade bilden einen ersten markanten Blickfang und beleben die ansonsten sehr kantige Fassade.
Die Architekturbüros OMA und Barcode Architects wollten mit dem von ihnen entworfenen Bibliothekszentrum alte Regeln brechen und eine Bücherei für alle gestalten. Die beiden Haupteingänge führen direkt in den Mittelpunkt des Gebäudes. Von hier aus kann die Besucherin oder der Besucher in sämtliche Bereiche der Bücherei gehen oder mit den Rolltreppen in die oberen Ebenen gelangen. Die Sitzstufen bieten eine tolle Möglichkeit, spannende Bücher zu entdecken oder einfach nur in den Gedanken zu schwelgen. Als äußerst ansprechend empfand ich die fahrbaren Regale. Mit ihnen kann der Platz innerhalb der Bibliothek optimal genutzt werden bzw. sind, im Rahmen von Veranstaltungen oder Ähnlichem, ohne Probleme Adaptierungen möglich.
#2 Varina Area Library (USA)
Inmitten der prachtvollen Landschaft des US-Bundesstaates Virginia befindet sich auf einem knapp 4.000 m² großem Grund die Varina Area Library. Im Jahr 2016 stellte das Architekturbüro BCHW die einzelnen Pavillons fertig.
Den Architekten war es wichtig, eine Bibliothek zu schaffen, die Raum für Kreativität lässt und gleichzeitig umfangreiches und effizientes Arbeiten ermöglicht. Zur hochmodernen Ausstattung der Varina Area Library gehört unter anderem auch ein Computerraum mit 3D Druckern, sowie Arbeitsräume, die von den Bibliotheksbenützerinnen und Benützern für Gruppenarbeiten oder Ähnlichem verwendet werden können. Bei der Planung der Bibliothek wurde zudem darauf geachtet, den in der Region oft verwendeten Baustil auf eine moderne Art und Weise wieder zuspiegeln und so das Gebäude in die Landschaft mit einfließen zu lassen.
#3 Northside Library (USA)
Im Jahr 2017 wurde eine vom Architektenteam NBBJ entworfene Öffentliche Bücherei in Columbus (US-Bundesstaat Ohio) eröffnet. Beim Design wurde sehr darauf geachtet, den modernen Anforderungen gerecht zu werden und speziell auf die Bedürfnisse der Heranwachsenden einzugehen.
Aus diesem Grund nahmen die Architekten den aktuellen Umbruch in der Bibliothekslandschaft (Lernzentrum vs. klassische Bibliothek) als Anlass, den Schwerpunkt von klassischen Einzelarbeitsplätzen zu gemütlichen Sitzgelegenheiten für Gruppen, Arbeitsräumen oder aber auch einer eigenen Zone zum Hausübung machen zu verlegen. Der Lesesaal wurde zudem auch zum Living Room („Wohnzimmer“) umbenannt.
#4 Zhongshunge Bookstore (China)
Dieses Prachtexemplar wurde in Chengdu im Jahr 2017 errichtet. Die Buchhandlung wurde von Huan Liu und Chen Fan des Architekturbüros X+Living entworfen und bietet seinen Kundinnen und Kunden nicht nur einen Einblick in die chinesische Kultur, sondern lädt regelrecht dazu ein, entdeckt zu werden. Die Räumlichkeiten bestechen durch ihre extravaganten Formen, wie zum Beispiel dem sogenannten Bambuswald, welcher aus bambusförmigen Regalen besteht.
Nach Durchquerung des Waldes gelangt man in die Kinderabteilung. Sie wurde besonders aufwendig gestaltet und versetzt Kinder beim Lesen der Bücher in eine andere Welt, in der sie der Fantasie freien Lauf lassen können. Die Buchhandlung verfügt außerdem über einen kleinen Hörsaal und ausreichend Sitzplätze und Tische zum schmökern. Erwähnenswert ist außerdem die Spiegeldecke, die sich in weiten Teilen der Buchhandlung befindet und vor allem den Hörsaal deutlich größer wirken lässt. Im Großen und Ganzen lässt sich über diese Buchhandlung sagen, dass dem Konsumenten gar nicht erst so richtig bewusst wird, dass er/sie sich noch in einem Einkaufszentrum befindet. Es entsteht eher der Eindruck, dass durch Betreten des Geschäfts eine Reise in eine andere Welt beginnt.
#5 Lesezeichen Salbke (DE)
2009 wurde in Magdeburg die erste Open Air-Bibliothek geschaffen. Die Bibliothek erfüllt dabei mehrere Zwecke. Zum einen stellt sie für die Bevölkerung einen offenen Bücherschrank dar, das heißt, Personen können sich Bücher aus den Vitrinen nehmen und sollten diese anschließend wieder retournieren. Zum anderen dient das Bauwerk auch für die Wohnhäuser dahinter als Lärmschutzwand.
Das Lesezeichen verfügt auch über eine kleine Bühne und kann für Veranstaltungen somit ideal genutzt werden. Um die Alltagstauglichkeit des Lesezeichens zu bestimmen, wurde der Entwurf vor Baubeginn an seinem zukünftigen Ort als 1:1 Modell im Rahmen eines Lesefestes aufgebaut. Dem Architektenbüro KARO* war es außerdem sehr wichtig, bereits vorhandene Baustoffe zu verwenden und dadurch auch ein Zeichen in puncto Nachhaltigkeit zu setzen. Das Projekt Lesezeichen wird seit der feierlichen Eröffnung am 20. Juni 2009 von einem Bürgerverein erhalten. Insgesamt bieten die Regale einen Platz für ungefähr 20.000 Bücher. Der Platz und die Sitzgelegenheiten rund um das Gebäude sind dafür gedacht, soziale Integration aller Bevölkerungsschichten zu begünstigen und die Gelegenheit für ein gemütliches Miteinander zu schaffen. Das Projekt wurde mit dem „European Prize for Urban Public Space“ und dem „Brit Insurance Design Award – Kategorie Architektur“ ausgezeichnet.
Seit dem Jahr 2015 befinden sich leider keine Bücher mehr in den Vitrinen, da es vermehrt zu Vandalismus kam.
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