„Im deutschen Sprachraum wurden die deutsche und die lateinische Schrift jahrhundertelang parallel verwendet. Ab dem Ende des 16. Jahrhunderts war es im Buchdruck üblich, deutsche Texte in Fraktur und fremdsprachliche in Antiqua zu drucken. Versuche einiger Verleger, dieses Nebeneinander zu beseitigen und die Frakturschrift abzuschaffen, scheiterten um 1800 an dem Argument, die Leser seien Bücher in Frakturschrift gewöhnt und würden diese eher kaufen.“ (Schulz, 2016/1)

Weitere Versuche, die gebrochene Druckschrift (Fraktur) abzuschaffen, scheiterten bis zu einem Erlass der NSDAP im Jahr 1941. Ab diesem Zeitpunkt solle die lateinische Antiqua als „Normalschrift“ gelten und für Druckwerke zu verwenden sein. Gleichzeitig würde die deutsche Schreibschrift (Sütterlin/Kurrent) nicht mehr an den Schulen unterrichtet werden (vgl. Schultz, 2016/1, Ullmann, 2008, S. 40).

Bildquelle: Schultz, 2016/1, https://www.altdeutsche-schrift.org/wordpress/wp-content/uploads/2016/12/Schrifterlass_Antiqua1941.gif

Die letztlich erfundene Begründung dafür lautete, dass es sich um eine Schrift mit jüdischer Herkunft handle. Diese eindeutige Fehlinformation – man könnte sie auch als historische Fake News betrachten – ließ sich allerdings schon damals mit der Kulturgeschichte und Entwicklung der altdeutschen Schrift widerlegen (vgl. Schultz, 2016/1, Süß, 2002, S. 8ff).

„Laut Klingspor gab es zur fraglichen Zeit keine Druckerei in Schwabach. Die Schrift habe sich in Nürnberg entwickelt zu einer Zeit, in der den Juden der Aufenthalt in der Stadt verboten war. Überdies verboten die Zunftgesetze den Juden, das Handwerk des Druckers zu lernen.“ (Van der Ley, 2017; nach: Klingspor, Karl: Über Schönheit von Schrift und Druck, Frankfurt 1949)

Der Hintergrund dieser Änderung der Schriftarten diente primär dem Zweck der besseren Lesbarkeit, z.B. für Propagandamaterial oder dem überregionalen Schriftverkehr. Zudem erleichterte eine einheitliche Schriftart die Arbeit in den Druckereien, da diese nicht mehr mehrere unterschiedliche Schriftsätze produzieren lassen, lagern und warten mussten. Im Endeffekt ging es also auch um Kostenersparnisse (vgl. Van der Ley, 2017).

„Im Alltag wird die Fraktur heute fast nur noch als historisierende Zierschrift genutzt.“ (Ullmann, 2008, S. 40)

In Bayern wurde beispielsweise von 1950 bis 1971 versucht, die deutsche Schreibschrift als Zweitschrift wieder in den Schulen einzuführen, aber ohne Erfolg (vgl. Süß, 2002, S. 10, Ullmann, 2008, S. 40). Als Nachwirkung hat sich herauskristallisiert, dass immer weniger Menschen alte Schriften schreiben bzw. historische Dokumente in deutscher Sprache lesen können. Damit diese wichtige Kompetenz nicht zur Gänze droht verloren zu gehen, taucht zumindest das Lesen alter Schriften, wie etwa der Deutschen Kurrent- und Kanzleischrift, nach wie vor in archivischen Ausbildungen auf.

Persönliches Kommentar: An dieser Stelle möchte ich uns allen ein Lob aussprechen. Ganz gleich, ob Archiv-, Bibliotheks- und Informationsassistent*innen in Österreich, Fachangestellte für Medien- und Informationsdienste in Deutschland, Informations- und Dokumentationsassistent*innen in der Schweiz und Liechtenstein, oder Studierende und Alumni von Geschichtsstudien und sonstigen weiteren Archivausbildungen. Im aktiven Dienst unterstützen wir Benützer*innen und Forschende bei ihren Recherchen und helfen ihnen – mehr oder weniger – Handschriftliches und Gedrucktes in alter Schrift zu entziffern, lesen und verstehen, und leisten damit einen wertvollen Beitrag des „Nicht-Vergessens“ für zukünftige Generationen.


Quellen:

Beitragsbild: © abiLehre.com/Nathalie Feitsch, 2021/22 (mit den Schriftarten Calibri (Textkörper), Theuerdank Fraktur, Ehmcke Schwabacher, Sütterlin von R.G. Arens, Wiegel Kurrent)

Hinweis: Dieser Beitrag entstand auf Basis einer Aufgabe im Rahmen meines Studiums.